…wache ich am 20. August 2016 in meinem alten Kinderzimmer auf. Ich fühle mich kaum ausgeschlafen, bin aber hellwach. Große Vorfreude macht sich breit. Heute habe ich mit den Händlerkennzeichen nämlich die vorerst letzte Gelegenheit, Leo legal auf der Straße zu bewegen.
Was war zuletzt geschehen? Ich hatte am vorherigen Abend Leo gekauft und dann in der Nacht zu meinen Eltern gebracht, wo wir ihn TÜV-tauglich machen wollten. Um 3 Uhr in der früh kam ich nach einem nicht enden wollenden Tag ins Bett und nun bin ich keine 6 Stunden später halb angezogen auf dem Weg zum Carport, in dem Leo steht. Dort angekommen stehe ich einfach erstmal da und grinse dümmlich. Dann schließe ich die Tür auf und setze mich herein. Ich atme noch einmal tief ein, um den besonderen Achtzigerjahreplastik-Raucherauto-Mix zu genießen, dann steige ich wieder aus und gehe zu meinen Eltern in die Küche, vielleicht habe ich ja Glück und muss niemanden wecken.
Vadder ist schon wach und erwartet mich. Er sitzt auf seinem üblichen Platz mit dem Rücken zur Tür und dreht sich langsam um. Dann fixiert er mich erwartungsvoll. Fast wie in diesen Mafiafilmen… Spaß beiseite, man sieht Vadder deutlich an, dass er Leo so schnell wie möglich kennenlernen will.
Also marschieren wir zum Carport. Ich werde aufgefordert, Leo zu starten, während Vadder sich an der geöffneten Motorhaube postiert. Erwartungsvoll drehe ich den Zündschlüssel und es passiert nichts..
Da fällt mir die Gewissheit wie ein Stein in den Magen. Andy hatte doch gestern noch erklärt, dass Leo Batterien leer nascht. 6 Stunden haben scheinbar gereicht, um die Batterie komplett zu entleeren, denn der Anlasser dreht nicht ein einziges Mal. Man hört lediglich ein Starter-Relais klicken.
Irgendwas in seinen Bart grummenlnd verschwindet Vadder in seiner Werkstatt. Und noch während ich mich über meine Nachlässigkeit ärgere, steht er gefühlte 3 Sekunden später wieder neben mir, in der Hand eine volle Starterbatterie und einen Schraubenschlüssel.
Man muss dazu sagen, dass Vadders Werkstatt ein Wunderland für große und kleine Schrauber ist. Dinge, die man dort nicht findet, braucht man wahrscheinlich nicht wirklich. Und sollte man sie doch brauchen, kennt Vadder grundsätzlich jemanden, bei dem man die Sachen innerhalb von zwei Tagen bekommen kann. Perfekte Voraussetzungen für dieses Projekt.
Während wir die Batterie einbauen, kriege ich noch die vorwurfsvolle Frage zu hören, was denn gewesen wäre, wenn sich die Batterie auf der Fahrt gestern Abend entleert hätte. Mir fällt keine gute Antwort ein, denn das wäre eine ziemliche Katastrophe gewesen. Stattdessen entgegne ich optimistisch „Na so schlimm kann es doch nicht sein. Immerhin ist die Lichtmaschine in Ordnung!“ Was das angeht, bin ich mir übrigens ziemlich sicher, denn zwischen den zahlreichen Warnlampen, die mich am vorigen Abend immer wieder Nerven und sicherlich mindestens ein Lebensjahr gekostet haben, war kein Batteriesymbol.
Als die Batterie angeschlossen ist, höre ich es mehrfach im Fahrzeuginneren klicken. Irgendwelche Relais melden sich zum Dienst und beziehen trotz gezogenem Zündschlüssel ihre benötigte Energie. Ein weiteres Indiz dafür, dass bei Leos Kabelbaum auch im abgeschalteten Zustand mehr los ist, als in so manchem Ehebett. Auf die Eigenheiten der Elektronik bin ich ja bereits an anderer Stelle eingegangen. Kein Wunder, dass sich die Batterie über Nacht entleert hat. Das begreife sogar ich als blutiger Anfänger.
Noch während ich mich über meinen Wissenszuwachs freue, reißt Vadder mir den Zündschlüssel aus der Hand und nimmt Platz auf dem Fahrersitz. Er wartet noch kurz, bis ich mich als Co-Pilot neben ihn gesetzt habe, dann lässt er den Anlasser drehen und Leo springt an. Ihr kennt das vielleicht von Euren eigenen Autos: Bei manchen „kleinen“ Autos klingt der Anlasser schon schwächlich und bei vielen Mittelklasselimousinen eher wie eine gelangweilte Nähmaschine. Bei Leo hat man das berechtigte Gefühl, dass ein Sportwagen startet… sobald der Tank wieder eingebaut ist, reiche ich eine Audioaufnahme nach. (Ende der Randnotiz)
Nach dem Start erhalte ich ein anerkennendes Nicken, dann wandert der Automatikwählhebel in die Stellung „D“ und wir rollen vom Hof. Hinten rechts macht sich das allgegenwärtige Quietschen des Stoßdämpfers bemerkbar. Nach drei Kurven beginnt Vadder, zu meckern. Jedoch nicht mit mir, sondern mit dem Stoßdämpfer. Völlig zu Recht, wie ich finde.
Wir fahren auf unsere Standardstrecke für neue Autos, die erst einmal getestet werden müssen. Unzählige Autos wurden hier von Vadder oder Tommy auf ca 2 Kilometer im halb warmen Zustand gequält. Bei dem Gedanken daran fühle ich mich an ein Filmzitat erinnert, „Das muss das Boot abkönnen..“
Nach einigen hundert Metern haben wir den Ort verlassen und fahren kurzzeitig über 110 Km/h. Der beliebte Geschwindigkeitswarner meldet sich zu Wort. Vadder sieht mich fragend an und ich erkläre ihm den Sinn und Zweck. „Das ist ja nervig“, kriege ich als Antwort. Vor nicht einmal zwölf Stunden habe ich mir dasselbe gedacht. Hoffentlich kriegen wir das Steuergerät von Leo in der Hinsicht umprogrammiert.
Wir fahren noch bis zu einer Kreuzung zwischen zwei Orten und wenden dann. Es geht zur Werkstatt zurück. Wir vereinbaren, dass wir am Nachmittag gemeinsam mit Tommy Leo das erste Mal auf die Hebebühne nehmen wollen. Vadder hatte mein Glitzern in den Augen schon richtig gedeutet. Jetzt ist es erst einmal an der Zeit, mit Leo in der Provinz herumzuprollen.
Also greife ich zum Handy und rufe nacheinander Autoliebhaber aus meinem Freundeskreis an. Der nächstbeste, der Zeit hat wird eingesammelt und auf gehts. Bei Tageslicht an diesem Samstagmittag wird schnell klar: Wir werden begafft und das nicht zu knapp.
Als ich an der Kirche in der kleinen Nachbarstadt halte und mit meinem Kumpel „fachmännisch“ in die Motorhaube schaue, kann ich aus dem Augenwinkel erkennen, wie ein älterer Herr im Vorbeigehen glotzenderweise fast gegen eine Straßenlampe läuft. Wunderbar, so wünsche ich mir das. Die Unfallstatistik wird in diesem Nest explodieren, weil keiner mehr auf die Straße schaut.
Weiter gehts an der örtlichen Polizeiwache vorbei. Die Kollegen, die hier ihren Dienst versehen, haben es auf Tuner aller Art abgesehen. Als wir vorbeikommen, rührt sich nichts. Also fahren wir wieder aus der kleinen Stadt heraus und testen die einzelnen Funktionalitäten: Getriebe auf „Power“ schalten und dazu Kickdown am Ortsausgang. Leo brüllt und macht einen Satz nach vorn, während mein Kumpel und ich grinsen und grölen. So bringen wir Unruhe in ein Dorf nach dem anderen. Nach einigen Stunden liefere ich meinen Kumpel zu Hause ab und rolle mit Leo in Richtung Werkstatt.
Es wird Zeit, Leo auf Herz und Nieren zu prüfen. In diesem Fall wohl eher Blech und Rost. Und es wird für einige Zeit die letzte zugelassene Fahrt mit ihm auf der Straße sein.