Projekt

Alea iacta est

„Der Würfel ist gefallen“ – in meinem Fall die Achse. Von hier geht es nicht zurück! So oder so ähnlich wird sich Cäsar gefühlt haben, als er mit seinen Truppen den Rubicon überquerte, um dem Römischen Senat den Hintern zu versohlen.. ähm zurück zum Thema.

Wo waren wir zuletzt? Ah ja ein Haufen ungelöster Probleme. Doch in dieser Woche irgendwo zwischen September und Oktober 2016 geht es mit mächtigem Tatendrang an die großen Arbeiten. Zuletzt waren meine Tätigkeiten ja eher problembehaftet und so recht kam ich nicht weiter. Das ändert sich nun, denn Leo wird jetzt zwangsweise Dauergast auf der Hebebühne. Gut, dass ich eine Woche Urlaub habe. Die wollen wir sinnvoll nutzen!

Um nämlich an die richtig fiesen vergammelten Ecken ranzukommen, müssen sämtliche Reifen, der Tank, die Hinterachse, der Auspuff und alles, was man sonst noch untenrum abbauen kann, weg.

Zu diesem Zweck mache ich einige schöne Fotos, bevor wir alles rausreißen. Wie sich später herausstellen soll, sind die Fotos gold wert.

Der hintere Teil von Leo – gut sichtbar der Tank und die Hinterachse

Als erstes baue ich alle möglichen Plastikverkleidungen und Hitzeschutzbleche untenherum ab. Die Hitzeschutzbleche sitzen überall zwischen den Teilen der Auspuffanlage, die wirklich heiß werden und dem Fahrzeugunterboden. Positiver Nebeneffekt dieser Bleche: Der Unterboden sieht da wo die Bleche saßen, noch richtig gut aus.

Schmutzfänger – toll! Weg damit.

Weniger schön ist es, die Innenverkleidungen der vorderen Radkästen zu entfernen. Zwar leistet mir eine von Tommys zahlreichen Katzen Gesellschaft und tatkräftige Unterstützung, doch später an diesem Tag sollte ich die ersten vier Schrauben auf dem Gewissen haben.

Mein freundlicher Helfer für heute Nachmittag

Vadder hat da immer schnell eine Begründung parat, wenn ich eine Schraube abreiße. Nach dem Zufallsprinzip darf der jeweilige Übeltäter einen der folgenden Sätze über sich ergehen lassen. An besagtem Tag durfte ich alle hören:

-„Du hast den falschen Schraubenzieher genommen!“
-„Du hast nicht stark genug gedrückt!“
-„Du musst zwischendurch auch mal in die andere Richtung drehen!“
-„Du hast zu viel Gewalt angewandt!“

Tatsächlich sind diese irgendwo auch zutreffend. Allerdings reißen Schrauben auch erst ab, wenn das Material weit über seine Haltbarkeit hinweg angegriffen wurde. Die Schrauben, die ich da vor mir habe, sind natürlich in einer denkbar schlechten Position, denn fast 30 Jahre lang haben sie jeglichen Dreck, Wasser, Streusalz und sonstigen Mist, der da hochfliegt, abbekommen. Entsprechend sehen die Schrauben auch aus.

Und nachdem ich von der vierten Schraube lediglich den Kopf in der Hand halte, fällt die Entscheidung: Ich greife zur Flex. Anfänglich hatte ich noch Angst vor diesem Gerät, das auch gern mal „Menschenfresser“ genannt wird, doch mittlerweile erkenne ich es als als Allzweckwaffe an. Außerdem bin ich meines Vaters Sohn, und der liebt bekanntlich alles, was sich schnell dreht und dabei Lärm macht.

Einige laute Minuten später ist Leo von Plastikverkleidungen in den vorderen Radkästen befreit.

Noch eine – Mist!

Als nächstes widme ich mich dem Innenraum. Da Leo am Ende der Woche auf der Hebebühne hängen und zum Schweißen vorbereitet sein soll, muss auch die komplette Innenausstattung weichen. Zu diesem Zweck stelle ich Leo auf eine nahegelegene Koppel und fange einfach mal mit dem Ausräumen an. Logischerweise beginne ich mit dem Beifahrersitz. Diesen baue ich als erstes aus. Da die Schrauben dafür wirklich groß sind – der Sicherheit zu Liebe – muss ich eine Menge Kraft aufwenden. Mit meinen Spaghetti-Armen muss ich ziemlich viele Pausen zwischendurch machen. Zeit, Fotos und mir Gedanken zu machen.

Entfernt und beiseitegestellt: Der Beifahrersitz

Danach muss die Rückbank raus. Diese ist zweiteilig montiert. Sie besteht aus einer Rückenlehne und der eigentlichen Sitzbank. Die richtige Reihenfolge für den Ausbau lautet: Erst die Bank, dann die Lehne. Diese Erkenntnis hat mich beinahe eine halbe Stunde gekostet und mir zahlreiche Kratzer eingebracht. Umgekehrt geht es natürlich andersherum. Bei dem Ausbau geht mir auch direkt eine der Plastikfassungen kaputt, mit denen die Rückbank in die Karosserie eingehängt wird. Ich tröste mich mit dem Gedanken, dass bei einem Coupé sowieso kaum jemand hinten sitzt. Gerade deshalb erstaunt mich die Tatsache, dass es hinten drei Anschnallgurte gibt. Mich würde wirklich interessieren, wer es schafft, dort hinten mehr als zwei Personen unterzubringen.

Nachdem auch die Rückbank ihren Weg hinaus gefunden hat, baue ich noch sämtliche Innenverkleidungsteile wie Seitenlehnen und die komplette Ausstattung des Kofferraums aus. Dabei fällt mir der Sony-Receiver für den Fernseher auf. Dieser ist längs liegend zwischen Kofferraum und Rückbank montiert. Er darf bleiben, denn er stört dort nicht. Dem Sonnenuntergang nahe (scheiß Herbst, ich hasse die dunkle Jahreszeit) ist der Innenraum nahezu leer und der Inhalt schubkarrenweise weggeschafft. Ich mache Feierabend, morgen ist auch noch ein – viel wichtigerer – Tag.

Ohne Rückbank kann ich weit gucken

Wenn Benzin high macht..

..dann ist was schief gelaufen. Heute soll ein Meilenstein gesetzt werden und so fahre ich den, bis auf den Fahrersitz, innen komplett ausgekofferten Leo vorsichtig auf die Hebebühne. Die Lastarme der Hebebühne werden an die Holme gesetzt und Leo reckt sich langsam zur Werkstatt-Decke empor. Es soll für viele Monate das letzte Mal sein, dass die Hebebühne bewegt wird, denn Leo wird Dauergast.

Ein  Problem steht uns jedoch im Weg, bevor wir den Tank und die Achse ausbauen können: Nämlich ein Gewichtsproblem. Der Motor ist neben der eigentlichen Karosserie das Schwerste am Auto. Danach kommt das Getriebe und dann die Hinterachse mit dem Differential und irgendwann auch der Tank. Blöderweise bauen wir genau die drei letzten Teile aus und die befinden sich alle hinten. Der Motor und das Getriebe allerdings sitzen vorn und die Aufnahmen der Hebebühne sind mittig. Was kann also im schlimmsten Fall passieren? Genau: Ich löse die letzte Schraube an der Hinterachse und Leo fällt vornüber von der Hebebühne. Um dies zu vermeiden, hat Vadder zwei uralte aber sehr stabile Böcke aus Stahl besorgt, mit denen wir das Fahrzeug vorn abstützen wollen. Also platzieren wir die Böcke vorn und machen uns bereit, als erstes den Tank zu entfernen.

Bevor das geschehen kann, muss ich ihn allerdings leeren. Der Tank hat mehrere Ein/-bzw. Ausgänge. Zwei kleine gehören zur Benzinpumpe. Warum zwei? Damit das System geschlossen ist und nicht benötigter Treibstoff in den Tank zurückfließen kann. Der dritte Eingang gehört zum Tankstutzen. Über den letzteren, am weitesten unten befindlichen Eingang wollen wir den Kraftstoff ablassen. Zuerst werden die zahlreichen Schrauben gelöst, mit denen der Tank befestigt ist. Das geht erstaunlich gut und diesmal reiße ich auch keine Schraube ab. Damit der Tank nicht auf die Reise geht, haben wir darunter einen Getriebeheber postiert, auf dem der Tank jetzt ruht.

Der nächste Schritt auf unserem idiotensicheren Plan: Den großen Schlauch abziehen und hoffen, dass der ganze Sprit in den Kanister darunter fließt. Natürlich hat unser Plan, der absolut nicht schief gehen kann, auch ein Paar Details: Tommy wird den Schlauch abziehen, während ich den Kanister darunterhalte. Vadder wird derweil den Tank mit dem Getriebeheber absenken und den Tank kippen, sobald von selbst kein Sprit mehr herauskommt.

Der Plan ist innerhalb von 3 Sekunden entstanden und wird auf ein unmissverständliches Kommando von Vadder umgesetzt. Tommy reißt den Schlauch ab und sofort schießt der Kraftstoff hinaus. Natürlich nicht in den bereitgestellten Kanister sondern in meinen Ärmel, meinen hochgestreckten Arm hinunter, in meine Achselhöhle und von da weiter meinen Oberkörper herunter bis in meinen unten offenen Arbeitsschuh, von dort dann weiter auf den Werkstattboden.
Vadder fängt sofort an zu schimpfen, während Tommy lachend in Deckung springt und meine Haut komisch zu kribbeln anfängt. Nach wenigen Sekunden und gefühlten Hektolitern an verschüttetem Treibstoff sitzt der Kanister an der richtigen Stelle und fängt den wertvollen Sprit auf. Vadder hat sich beruhigt und beschränkt sich auf das Kippen des Tanks. Ich versuche – leicht benebelt – den Kanister im richtigen Winkel zu halten.

So vergehen einige Momente, bis der Tank leer und der Kanister fast voll ist. Dann kann Vadder den Tank langsam mit dem Getriebeheber ablassen und wir setzen ihn vorsichtig auf dem Werkstattboden ab.

Ich – vermutlich um ein Jahr Lebenserwartung beraubt – ziehe mich erstmal aus und lasse meine Kleidung ausdünsten. Glücklicherweise habe ich eine Reservegarnitur Arbeitskleidung.

Hier hing mal ein Tank

Nachdem der Tank beiseitegeräumt ist, haben wir nun die Gelegenheit, auch die Achse zu entfernen. Bei dieser handelt es sich um ein mordsmäßig schweres Teil. Anders als bei einem Opel Corsa oder dergleichen ist Leos Achse nicht einfach eine Metallstange mit zwei Rädern dran sondern ein wirklich massives Teil, an dem zwei große Schwingen, das Differential und ein halber Meter Kardanwelle hängen.  Alles zusammen wiegt vermutlich mehr als ich.

Das Ganze wird von einigen großen Bolzen an seinem angestammten Platz gehalten. Nachdem Vadder erneut einen Getriebeheber unter der Achse postiert hat, sorgen Tommy und ich auf beiden Seiten für ein balanciertes Absenken der Achse. Doch bei ungefähr 1,5 Metern Höhe ist Schluss. Nun müssen wir die Achse vom Getriebeheber runternehmen und absetzen. Eine Aufgabe für Tommy und mich. Wir wissen, dass wir auch hier koordiniert vorgehen müssen und nur eine Chance haben.

Wir machen uns bereit und auf ein abgesprochenes Kommando geht es los. Wir packen kräftig an und legen die Achse auf einer Schubkarre ab. Natürlich bleibe ich hängen und reiße mir die Reservejacke auf, Mist!

Naja wenigstens ist die Achse mitsamt Anhang heil am Boden angekommen. Ein wenig ramponiert aber glücklich mache ich für heute Feierabend.

Was für ein Monster

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